TÖNE DES NORDENS - Die 55. Nordischen Filmtage Lübeck


Von Peer Kling und Silke Möller-Wenghoffer



Das NORDLICHT kennt man ja; aber gibt es denn im Norden auch besondere Töne? Irgendwie schon, jedenfalls im Film bei den Nordischen Filmtagen in Lübeck, die wie jedes Jahr am ersten November-Wochenende ihr Finale hatten. Das Verzeichnis des Filmkatalogs listet 160 Streifen aus elf Ländern. Mehr als sonst bestimmte DIE MUSIK die Filmthemen.

"Ein Walzer für Monica" - Filmplakat in Lübeck
(Foto: Peer Kling)

"Ein Walzer für Monica"

Der Walzer für Monika zeichnet mit den Mitteln eines aufwendig gestalteten Erzählkinos die Biografie der schwedischen Jazz-Sängerin Monica Zetterlund (1937 - 2005) nach. In Schweden eine Ikone, hierzulande eher weniger bekannt, kommt der von dem Dänen Per Fly ("Das Erbe") swingend in Szene gesetzte Film gerade recht, um Monica Zetterlund zu feiern oder kennen zu lernen. Die Biografie konzentriert sich auf die ersten Jahre der Karriere und endet im Höhepunkt der 1964 in schwedischer Sprache in den USA zusammen mit dem Star-Pianisten Bill Evans aufgenommenen Platte "Waltz for Debby". (LINK: http://www.youtube.com/watch?v=8tp-nbchmHU)


Eine nicht zu unterschätzende Lektion des Films ist der barsch aus dem Munde von Ella Fitzgerald stammende Vorschlag, sie solle sich doch gefälligst auf die schwedische Identität besinnen statt Amerikaner nachzusingen, eine Ohrfeige, die sich einerseits gut verallgemeinern lässt und sich insbesondere für Zetterlund als sehr heilsam erwies. Mit einem Paukenschlag war sie wieder Schwedens Liebling, nachdem ihre Landsleute sie für den letzten Platz beim Grand Prix Eurovision de la Chanson, wie er zu jener Zeit noch hieß, abgestraft hatten. Die wunderbare Szene "Bill Evans calling" ist der Anfang eines von Dramen durchzogenen Glückes, das immer wieder von Alkohol und Tabletten unterbrochen wurde und zugleich das rührende Ende des bis dahin andauernden Vater-Tochter-Konfliktes. Die Anerkennung der Eltern ist halt mit das Wichtigste im Leben überhaupt, so Lektion zwei. Die Höhen und Tiefen dieses Lebens werden phantastisch nachgespielt und auch nachgesungen von Edda Magnason, fast hätten wir geschrieben "Magna-Song".

Die echte "Magna Song" kam an den Rollstuhl gebunden jämmerlich bei einem Stockholmer Wohnungsbrand ums Leben, was uns der Film erspart, anzuschauen. Ihre Musik bleibt, aber auch ihre wenigen Auftritte als Schauspielerin. In den als Film von Jan Troell inszenierten Erzählungen von Vilhelm Moberg stand Monica Zetterlund neben Liv Ullmann und Max von Sydow vor der Kamera. In "Utvandrarna" ("Die Auswanderer", Verleihtitel: "Die Emigranten") aus dem Jahre 1971 und in "Nybyggarna" ("Das neue Land") (1972) verkörperte sie die Rolle der Ulrika.

(LINK zum schwedischen Film-Trailer: http://www.moviezine.se/film/monica-z)

Weitere Links zu Monica Zetterlund:

http://www.srf.ch/kultur/musik/monica-zetterlund-eine-tragische-schwedische-sensation

http://de.wikipedia.org/wiki/Monica_Zetterlund




In "Wir sind die Besten" erzählt Regisseur Lukas Moodysson (bekannt durch "Fucking Åmål") linear aber mitreißend und so fesch wie frech die Geschichte einer Mädchen-Punk-Band. Vorlage war ein von seiner Frau Coco verfasster Comic. Nach dem Festival-Publikum in Toronto zeigte sich auch Lübeck begeistert und spendete ordentlich Beifall für den von der Band produzierten Krach, insbesondere auch für die eigens angereiste, mal eben sechzehnjährige Mira Barkhammar in der Rolle der Bobo.



Mira Barkhammer (rechts) nach der Vorführung von "Wir sind die Besten" in Lübeck.
(Foto: Peer Kling)
Das Punk-Trio aus "Wir sind die Besten"
V.l.n.r.: Liv LeMoyne als Hedvig, 
Mira Barkhammar als Bobo, Mira Grosin als Klara.
(Foto: Verleih)
LINK zum schwedischen Film-Trailer: http://www.youtube.com/watch?v=m9TCq3A7t9Q



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"Der Tango ist ja eigentlich eine finnische Erfindung und auch den Walzer hat Österreich von den Finnen gestohlen." Das sind markige einleitende Worte aus dem Munde Aki Kaurismäkis in dem wunderbar ironischen aber auch Tango-musikalisch sehr aufschlussreichen "Mittsommernachtstango" von Viviane Blumenschein. "Ja, und die Argentinier haben die Sauna erfunden." kontern lachend die Südamerikaner. In dem humorvoll beschwingten dokumentarischen Roadmovie reisen drei argentinische Tangomusiker launig im Lada durch Finnland und begegnen finnischen Tango-Größen wie Reijo Taipale, Sanna Pietäinen oder M.A. Numminen. Die Bilder und Klänge der Sehnsucht werden durchtränkt vom skurrilen Humor der Finnen, wie etwa auf den beliebten Open-Air-Tanzböden des "Sommer-LICHT-en" Landes der Seen. 



Mauri Antero Numminen, besser bekannt als M.A. Numminen (rechts) mit Partner Pedro Hietanen (links, mit Akkordeon) bei einem Auftritt für Gäste der IFLA bei einem Empfang der Deutschen Botschaft in Helsinki, 2012.
(Foto: Peer Kling)


Die Eintrittskarte zu diesem Film oder auch die zu dem Streifen "Finnisches Blut, schwedisches Herz" berechtigte zum anschließenden Besuch des Live-Auftritts der klangstarken Gruppe "Darya & Månskens-Orchestern" (Darya & Mondschein-Orchester) im Lübecker Kolosseum, ein wirkliches Klang-Erlebnis. Alle Mitglieder der Formation sind zwar in Schweden geboren, singen und spielen aber finnischen Tango in finnischer Sprache, versteht sich.
Homepage der Gruppe: http://manskensorkestern.se/


Peer Kling und Jürgen Huenerbein haben die Musiker bei ihrem Konzert in Lübeck mit der Kamera beobachtet:



Darya Pakarinen - Gesang

Viktor Littmarck - Geige

Viktor Brobacke - Posaune
 


Amanda Fritzén - Akkordeon und Oscar Nygren - Kontrabass
Ohne Bild: Daniel Rossetti - Gitarre und John Hugardt - Schlagzeug




Den Film "Finnisches Blut, schwedisches Herz" bereichert das Mondschein-Orchester mit leicht surrealistisch in Szene gesetzten Konzerteinlagen. Mika Ronkainen hat die Identitätssuche des Musikers Kai Latvalehto als Roadmovie inszeniert. Geboren in Finnland, aufgewachsen in Schweden, dann zurückgekehrt nach Finnland, weiß er nicht so recht wohin er denn nun eigentlich gehört. Um dies herauszufinden fährt er mit seinem Vater nach Göteborg und besucht dort die Orte seiner Kindheit. Dabei durchbrechen Vater und Sohn auch innere Grenzen und kommen sich näher. Mika hat immer nur Themen vorgegeben, nie ausformulierte Sätze. Die weite Reise ins Innere der Gefühlswelten wirkt dadurch sehr authentisch.




Der Regisseur von "Finnisches Blut, schwedisches Herz", 
Mika Ronkainen zu Gast in Lübeck.
(Foto: Peer Kling
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Sowohl "The Ghost of Piramida" des Dänen Andreas Koefoed als auch "Moderne Ruinen - Piramida" des Deutschen Markus Reher gehen dem Schicksal der einst äußerst umtriebigen und mittlerweile aufgegebenen und unbewohnten russischen Bergarbeitersiedlung auf Spitzbergen nach. Was hat dies mit Klangwelten zu tun? Nicht nur, dass dort wohl der nördlichste aller Konzertflügel verfällt. In beiden Filmen begegnen wir experimentellen Musikern der dänischen Gruppe Efterklang, die mit Klöppeln auf alles schlagen, was Töne abgibt, Gläser, Pipelines und alte Kraftwerkskessel. Diese Klänge bauen sie in ihre Musik ein.

Standbild aus dem Film "Moderne Ruinen - Piramida" unter der Regie von Markus Reher.

Man sieht deutlich den namensgebenden Gebirgszug.
(Foto: ARTE)
"Auf dem Holzweg"
Standbild aus dem Film "Moderne Ruinen - Piramida" unter der Regie von Markus Reher.
(Foto: ARTE)

Auf der Suche nach besonderen Tönen

Filmplakat zu "The Ghost of Piramida" des Dänen Andreas Koefoed



Link zum offiziellen Trailer zu "The Ghost of Piramida" des Dänen Andreas Koefoed:
 https://www.youtube.com/watch?v=Iel9NAfjwAs#t=56

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MISSTÖNE

Zeitgleich zu den Nordischen Filmtagen verbreitete Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) Töne, die die Festivalleitung und ebenso die Teilnehmer zucken ließen. Die Disharmonien in Lübeck beziehen sich auf das fehlende Klingeln im Beutel, also eigentlich eher ein Verstummen im Sinne der Ruhe vor dem Sturm des Aufbegehrens.  Lübeck plant für 2014 ein Streichkonzert in Höhe von insgesamt 1,3 Millionen Euro. Und auch das nächste Film-Festival ist betroffen.
Die Stadt will ab 2014 67.000 Euro weniger für die Nordischen Filmtage ausgeben. Aktuell beläuft sich der Gesamtetat der Nordischen Filmtage auf 690.000 Euro. Die Stadt steuerte bislang 250.000 Euro bei, Schleswig-Holstein 70.000 Euro und die EU 60.000 Euro. Der Rest kommt durch Sponsoren, Stiftungen und Spenden zusammen. Das Festival zieht 26 000 Gäste an. Saxe erachtet die schmerzhafte Maßnahme für notwendig. Laut Vertrag mit dem Land hat sich Lübeck verpflichtet, bis 2017 insgesamt 28,7 Millionen Euro zu sparen. "Wenn sich Lübeck nicht daran hält, müssen wir Millionen-Hilfen vom Land zurückzahlen", warnt Saxe.
Kultursenatorin Annette Borns (SPD) sieht es anders: "Eine weitere Reduzierung des Zuschusses führt zur Aufgabe der Filmtage." Das Festival sammele 70 Prozent seines Etats über Drittmittel ein. Wenn sich die Stadt immer weiter aus der Finanzierung zurückziehe, führe das auch zu einer Reduzierung dieser Gelder. "Das haben die Verhandlungen des letzten Jahres deutlich gezeigt."

Quelle, auch für mehr Detailüberlegungen:http://www.ln-online.de/Lokales/Luebeck/Luebecks-Sparliste-Auch-die-Nordischen-Filmtage-sind-dabei