Zweimal Silber für "Die Königin und der Leibarzt"

Das Filmplakat zeigt die Ménage à trois: Leibarzt Struensee (Mads Mikkelsen), Königin Caroline Mathilde (Alicia Vikander) und Mikkel Boe Følsgaard als den "Gaga-König"

Zweimal Silber für "Die Königin und der Leibarzt"
Von Peer Kling und Elisabeth Niggemann

Eine junge mit einem Psychopathen verheiratete dänische Königin verliebt sich in ihren Leibarzt. Sie wollen die Welt verändern. Intrigen wissen dies grausam zu verhindern.

Der Stoff ist eine so spannende wie faszinierende Story und auch wirklich Geschichte im Sinne von History. Allein schon die Bezüge quer durch Europa als Globalisierungsvorstufe sind interessant. Hier vermischen sich skrupellose Machtinteressen, Gedanken der Aufklärung und das Streben nach Gerechtigkeit, Idealismus, der Eid des Hippokrates mit der zur Lebensaufgabe gewordenen Absicht zu heilen und eine leidenschaftliche Liebe zu einem Kostüm-Thriller, den Shakespeare geschrieben haben könnte.

So nimmt es denn auch nicht wunder, dass die tragische Liebesaffäre Königin Caroline Mathildes mit dem bürgerlichen Arzt Johann Friedrich Struensee schon viele Male verfilmt wurde.

Mathilde war schon oft im Bilde: Zum ersten Mal 1912 in dem dänischen Kurzfilm "Kærlighed ved Hoffet" mit Sigrid Creutz Hindborg; 1923 mit Henny Porten, der die Berlinale 1986 eine Retrospektive widmete in dem Stummfilm "Die Liebe einer Königin". Es folgte 1935 die britische Produktion"The Dictator" ("Mein Herz der Königin") mit Madeleine Carroll. In dem deutschen Historiendrama Herrscher ohne Krone ("King in Shadow") (1957) übernahm die französische Schauspielerin Odile Versois an der Seite von O. W. Fischer und Horst Buchholz die Rolle der dänischen Königin. Etwas vernachlässigt wird das vor drei Monaten bei den Nordischen Filmtagen in Lübeck vorgestellte 94-minütige Doku-Drama von Wilfried Hauke "Eine königliche Affäre - Das riskante Leben des Leibarztes Johann Friedrich Struensee". Ähnlich wie bei "den Manns" verwebt diese Variante Spielszenen mit Erläuterungen von dänischen und englischen Historikern. Wunderschöne Landschaftsaufnahmen aus England, Deutschland und Dänemark verbinden die Handlungsstränge und es werden bisher nicht veröffentlichte Dokumente, teilweise vom König Christian selbst gezeichnet, im Film vorgestellt und erläutert.

Den soeben mit zwei silbernen Bären gekrönte Abschluss dieser filmischen Entwicklung bildet nun der in dänisch-tschechisch-schwedisch-deutscher Koproduktion entstandene 137 Minuten lange Wettbewerbsbeitrag "Die Königin und der Leibarzt" ("En kongelig affære"; "A Royal Affair") mit der Schwedin Alicia Vikander in der Titelrolle. Unter der Regie des 1972 in Kopenhagen geborenen Nikolaj Arcel verkörpern, man möchte fast sagen der dänische Staatsschauspieler Mads Mikkelsen den Struensee. Mikkel Boe Følsgaard bekam für die Rolle des verrückten Königs Silber, wie auch das vom Regisseur gemeinsam mit Rasmus Heisterberg verfasste Drehbuch, die Literaturverfilmung des im Jahre 2000 erschienenen Romans der 1945 in Dänemark geborenen Bodil Steensen-Leth mit dem Originaltitel: "Prinsesse af blodet".

Es hätte alles so anders kommen können. Die Königin und ihr Leibarzt in einem kurzen Moment des Glücks. (Foto: Verleih)

Dieser perfekte Historienfilm, der im April 2012 in die Kinos kommen soll, meistert besondere schauspielerische Herausforderungen, zeigt wunderbare Interieurs und Außenaufnahmen und illustriert einen besonderen Moment europäischer Geschichte knapp 20 Jahre vor der französischen Revolution. Und er macht zwei Dinge deutlich. Alles hätte für die beiden und vor allem auch für Europa völlig anders kommen können. Und zweitens, dass die eigentliche Bedrohung nicht vom "Gaga-König" ausging.

Hintergrund:
Wer war Caroline Mathilde Königin von Dänemark?

Caroline Mathilde Königin von Dänemark, 1771.
Das Gemälde von Jens Juel hängt im Schloss Rosenborg Slot in Kopenhagen. Sie war noch keine 24 Jahre alt, als sie in der Verbannung in Celle starb. Bis dahin hat sie eine Unmenge an Leid ertragen müssen. Ihr Vater, Friedrich Ludwig von Hannover und Prinz von Großbritannien war schon tot als sie 1751 in London zur Welt kam. Ihre Mutter, Augusta von Sachsen-Gotha war die Schwester des Prinzen von Wales, der später englischer König wurde (Georg III). Caroline wuchs in Kew, einem Stadtteil von London auf und wurde puritanisch erzogen.

1766, im Alter von 15 Jahren wurde sie mit Christian VII auf Schloss Christiansborg verheiratet. Er war ihr Cousin 1. Grades, geisteskrank, auch erst 17 und bereits König von Dänemark-Norwegen. Der verordnete Gemahl nahm von ihr kaum Notiz und vergnügte sich lieber mit seiner Sado-maso-Geliebten. Dennoch brachte Caroline vierzehn Monate nach der Hochzeit ein gemeinsames Kind zur Welt, den Kronprinzen und späteren König von Dänemark und Norwegen Friedrich VI.

Als der König nach einjähriger Europareise nach Kopenhagen zurückkehrte, brachte er Johann Friedrich Struensee als Leibarzt an seinen Hof und ernannte ihn später zum Minister. Struensee konnte mit der geistigen Instabilität des Königs umgehen, und der König entwickelte ein besonderes Vertrauen zu ihm. Caroline Mathildes Liebesbeziehung mit Struensee begann im Frühling 1770. Es ergab sich eine harmonische Ménage à trois. 1771 kam Prinzessin Louise Augusta zur Welt, deren Vater mit hoher Wahrscheinlichkeit Struensee war. Gegen Struensee, der als Minister im Sinne der Aufklärung mit humanistischen Ansätzen die Rechte der Armen stärkte und die verschwenderische Macht des Adels minderte, richtete sich eine intrigante bis heute unvollständig geklärte Verschwörung, die über eine Unzahl tragischer Details 1772 zu seiner Hinrichtung führte. Caroline Mathilde wurde von ihren Kindern getrennt und nach Celle verbannt.