Die BERLINALE – bald im Umbruch?

Das größte Publikumsfilmfestival der Welt lädt ein

von unseren Berlinale-Korrespondenten Peer Kling und Elisabeth Niggemann

Berlin gehört wieder den Bären, wenn vom 7. bis zum 17. Februar 2019 die Internationalen Filmfestspiele Berlin stattfinden, denn das Wappentier Berlins ist auch das Wappentier der Berlinale.

Berlinale 2019 Festivalplakat

Wer steckt im Kostüm?
Nach Jahren der Ungewissheit lüftet die aktuelle Motivreihe das Geheimnis um das Wahrzeichen der Berlinale. „Die Protagonistinnen und Protagonisten, die in diesem Jahr für uns aus dem Bärenplüsch geschlüpft sind, stehen für diejenigen, die die Berlinale zum größten Publikumsfestival der Welt gemacht haben: Die Berlinale-Fans“, so Festivaldirektor Dieter Kosslick. Nun ja, und über die Kostüme kommen sich die fünften Jahreszeiten etwas näher, allzu oft liegen sie zeitgleich, der Karneval und die Berlinale.

Die Festivalplakate wurden erneut von der Schweizer Agentur Velvet gestaltet; das Bären-Plüschkostüm stammt aus dem Fundus des Luzerner Theaters. Die Plakate sind schon ab dem 11. Januar in ganz Berlin zu sehen.
Kleiner Tipp: Sie sind auch im Berlinale Online Shop erhältlich. Für die „Bärlinale“ zu Hause stehen insgesamt 24 Bären-Motive in den Größen Din A0 und Din A1 zurück bis einschließlich 2016 zur Verfügung. Sie kosten 12,90 bzw. 8,90 Euro plus jeweils 4,90 Versand innerhalb Deutschlands.

Dieter – alle sagen Dieter, niemand sagt Herr Kosslick – ist selbst so eine Art Maskottchen geworden. Mit Schaffenskraft, Charme, Schal und Hut war er stets omnipräsent. Für Festival-Direktor Dieter ist dies nach 18 Jahren nun die letzte Berlinale im Amt. Er hat als Impulsgeber und Festivaldirektor zum Anfassen die Berlinale zum Massen-Event gestaltet. Dreihundertdreißigtausend verkaufte Karten letztes Jahr. Was gibt es Schöneres zum 70ten Geburtstag als den eigenen Erfolg? Glückwunsch und Danke, Dieter!

Doch, wo gilt nicht der Satz, nur was sich ändert bleibt? Achtzig deutsche Regisseure forderten vor gut einem Jahr in einem offenen Brief dazu auf, die Berlinale zu „entschlacken“. Eine Podiumsdiskussion im Berliner Haus der Kulturen der Welt versuchte zu klären, wer diesem Anspruch als Nachfolger von Dieter Kosslick gerecht werden könnte. Er war zwar nicht Teil der Runde, aber von Kosslick selbst stammt der Vorschlag, die Funktionen des künstlerischen und des kaufmännischen Leiters künftig zu trennen. Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat ihn umgesetzt. Die Berlinale wird in Zukunft von einer Doppelspitze geleitet. Der Italiener Carlo Chatrian (46) wird künstlerischer Leiter und die gebürtige Niederländerin Mariette Rissenbeek (Jahrgang 1956) wird geschäftsführende Leiterin. Mal sehen, wie lange es dauert, bis aus Herrn Chatrian Carlo wird.
Chatrian habe sich in Locarno einen weltweit hervorragenden Ruf erworben und das Locarno-Festival zu einem höchst erfolgreichen Publikumsereignis gemacht. „Uns hat Chatrian durch seine Leidenschaft für den Film und seine lebhafte, kommunikative Art überzeugt. Er ist weltweit bestens vernetzt, steht für eine internationale Perspektive und stellt sich als Vertreter einer jüngeren Generation der digitalen Zukunft. Chatrian brennt für den Film,“ so Grütters. Die seit den achtziger Jahren in Deutschland lebende Rissenbeek ist Geschäftsführerin von German Films, der Auslandsvertretung des deutschen Films. Trotz aller Begeisterung hat Grütters beide Verträge zunächst auf fünf Jahre begrenzt. Die beiden „schlüpfen“ 2020 zur 70. Berlinale „ins Bärenkostüm“ und können dann beide den geforderten inhaltlichen Neustart zelebrieren. Dann werden laut Rissenbeek die Vergangenheit und die Zukunft gefeiert. Nun ja, irgendwann wird auffallen, dass der Wunsch, möglichst viele Tickets zu verkaufen, und der Ehrgeiz, dem Festival ein stärkeres Profil zu geben, diametrale Gegensätze sind.

Wir haben jedenfalls vor, uns in die dicke Speckschicht der wohl letztmalig dreizehn Sektionen einzugraben und die Berlinale noch mal so richtig wie die Made im Speck zu erleben. Wir wollen endlich einmal Zeit aufzubringen für die Sektion kulinarisches Kino, wo wir doch selbst im nahen Aachen bei der Veranstaltung „Film mit Gabel“ so oft gefehlt haben. Man könnte meinen, „das kulinarische Kino“ habe der „dicke Moritz“, wie der Volksmund den Festivaldirektor der Jahre 1980 bis 2001 liebevoll nennt, in die Wege geleitet, hat er aber nicht. Er hat Brücken nach Amerika gebaut und nach dem Fall des Eisernen Vorhangs der Sowjetunion bislang unzugängliche Filme aus der Nase gezogen. Vor einem Jahr erschien die Biographie des Schweizer Kulturredakteurs Christian Jungen: „Moritz de Hadeln – Mister Filmfestival“. Wie Carlo war auch er vorher Leiter von Locarno und wurde nach seiner Zeit in Berlin Direktor der Internationalen Filmfestspiele von Venedig.

26 Millionen € beträgt das Jahresbudget der Internationalen Filmfestspiele Berlin dieses Jahr, eine Million mehr als 2018. Darin enthalten sind 8,2 Mio. € institutionelle Förderung von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.

Im öffentlichen Programm werden knapp 400 Filme gezeigt. (Der Filmmarkt hat dann noch mehr.) Als ambitionierter Gucker schafft man so etwa zehn Prozent davon zu sehen. Aber die Eindrücke beginnen, sich zu verwischen und es muss dann auch schon mal ein Film mit Gabel oder wenigstens einer mit heimlichem Butterbrot dabei sein, sonst ist es nicht zu schaffen. Und verschlafene Filme zählen nicht!

So, jetzt aber ran an den Speck!

Wer kommt denn? Die französische Schauspielerin Juliette Binoche (Oscar 1997 für „den englischen Patienten“) ist in diesem Jahr Jury-Präsidentin. Sie muss mindestens 17 Filme ansehen, um im Nachhinein mit ihrem Team die Vergabe des Goldenen und der sieben Silbernen Bären zu diskutieren.

Die britische Schauspielerin Charlotte Rampling erhält dieses Jahr den Goldenen Ehrenbären für ihr Lebenswerk! Im Rahmen der Auszeichnung am 14. Februar im Berlinale-Palast wird der italienische Spielfilm der Regisseurin Liliana Cavani „Der Nachtportier“ aus dem Jahr 1974 gezeigt. Charlotte Rampling wurde damit international bekannt. Der kontrovers diskutierte Film schildert die sadomasochistische Beziehung einer Überlebenden der Konzentrationslager mit ihrem ehemaligen SS-Peiniger.

Der Schauspieler Christian Bale hat die Titelrolle des US-Vizepräsidenten Dick Cheney in „Vice – Der zweite Mann“ übernommen. Ein beliebtes Modell: Berlinale-Rummel um einen Film außer Konkurrenz innerhalb der Wettbewerbsschiene kurz vor dem Kinostart am 21. Februar.

Catherine Deneuve, die schon viele Berlinale-Filme auch noch unbekannter Filmemacher/innen mit ihrer Film-Anwesenheit aufgewertet hat, wird zu „L‘adieu à la nuit“ in Berlin sein und bei der Pressekonferenz wohl einmal mehr eine ihrer Sonnenbrillen präsentieren. Egal, wir lieben sie.

Die dänische Regisseurin Lone Scherfig, bekannt aus „Zwei an einem Tag“ wird mit ihrem Film „The Kindness of Strangers“ die Berlinale eröffnen.

In Anwesenheit „Der Toten Hosen“ gibt es am 15. Februar im Rahmen der Doku „Weil du nur einmal liebst – Die Toten Hosen auf Tour“ eine Berlinale-Special-Gala. Die Filmproduzentin Cordula Kablitz-Post begleitete die Band 2018 auf ihrer Tournee von Deutschland bis nach Argentinien.

Fatih Akin stellt seinen düsteren Horrorthriller um einen Serienmörder im Hamburg der Siebzigerjahre im Wettbewerb der Berlinale vor. In "Der goldene Handschuh" geht es um die wahre Geschichte des Fritz Honka, der zwischen 1970 und 1975 vier Frauen ermordete. Die Romanvorlage stammt von Heinz Strunk, das Drehbuch schrieb Akin selbst. Die Hauptrolle spielt der Nachwuchsdarsteller Jonas Dassler ("Das schweigende Klassenzimmer"). 2004 hatte Fatih Akin mit "Gegen die Wand" den Goldenen Bären gewonnen.

Nach seinem filmischen Meisterwerk über die Kunst des Verzeihens - und die Kunst der Lüge in dem Weltkriegs-Epos „Frantz“, einer unvergesslichen deutsch-französischen Annäherung nach dem Ersten Weltkrieg, erwarten wir spannungsgeladen François Ozon mit seinem Wettbewerbsbeitrag: "Grâce à dieu".

So, jetzt müssen wir aber los, sonst verpassen wir noch die „Peerlinale“. Wenn sich im Berlinale-Palast der Vorhang zum offiziellen Festival-Trailer öffnet, spätestens dann kommt das prickelnde Berlinale-Gefühl auf. Aber Ihr könnt den Trailer auch sehen. Einfach den Hypertext anklicken. Die 50-sekündige Computeranimation des Regisseurs Uli M Schueppel eröffnet seit 2002 sämtliche Filmvorführungen im Rahmen des offiziellen Berlinale-Programms, inzwischen digital und wenn es denn sein soll in 3D. Die markante Begleitmelodie des Trailers von Xaver von Treyer und Johannes Koeniger ist die halbe Miete an Wirkung. Zurücklehnen und den 7.1 Surround Sound im immersiven Sound-Format Dolby Atmos genießen.

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